Es war einmal ein Schriftsteller, dem musste jedes Jahr etwas Sinniges zu Weihnachten aus der Schreibfeder fließen. Jahr für Jahr. Und Jahr für Jahr. Die weihnachtlichen Lektoren aus dem Weihnachtsverlag waren sehr zufrieden. Denn die sinnigen Weihnachtstexte jenes Schriftstellers verkauften sich erfreulich gut. Aber eines Jahres war der weihnachtliche Tintenstrom aus seiner Feder versiegt. „Tut mir leid“, sagte der Schriftsteller den Lektoren, die gekommen waren, um den diesjährigen Weihnachtssinn abzuholen. „Da kommt nichts mehr raus.“
„Das ist höchst unerfreulich“, hub der erste bereits an sich zu beschweren.
„Moment mal“, rief daraufhin ein zweiter der Lektoren. „Schaut euch das an! Irgendwo muss eine Weihnachtssperre in der direkten Linie zwischen Kopf und Schreibhand entstanden sein. Die Schreibfeder ist zwar leer. Stattdessen kommt dem armen Mann Weihnachten zu den Ohren raus!“
„Tatsächlich“, bemerkten nun auch die anderen. Dem Schriftsteller quoll Weihnachten zu den Ohren raus. Und was da alles aus den Ohren purzelte: Ochs und Esel, die Krippe mit dem Stall, die Glocken und die Kerzen, Tannenbäume, Lametta, Adventskränze noch und nöcher. Und da: ein Adventskalender, nein – eine ganze Armee von Adventskalendern kam dem Schriftsteller zu den Ohren raus. Und sie trugen alle miteinander so verheißungsvolle Titel wie: „Warmherzigkeit im Advent“, „Wollpullover im Advent“, „Ich krieg meine Tage im Advent“, „Meine Schreimomente im Advent“. Weihnachtslieder kamen ebenfalls heraus: Da tropften Schneeflöckchen und Weißröckchen auf den Boden. Die Weihnachtsbäckerei und Last Christmas. Es wollte gar nicht mehr aufhören. Bald war der ganze Boden übersät von Weihnachten. Die Putzfrau wollte schon den Boden wischen, da riefen die weihnachtlichen Lektoren: „Nein! Lasst uns all das, was dem Mann da aus den Ohren rauskommt, vorsichtig einsammeln und in eine kuschelige Reihenfolge bringen. Sicher kriegen wir selbst daraus noch ein Verkaufsprodukt zusammengestellt!“ Und tatsächlich. Die Lektoren vom Weihnachtsverlag sammelten all den heiligen Schnickschnack, der dem Mann aus den Ohren herausgekommen war, ein, sortierten ihn zwischen zwei Buchdeckel, schrieben außen drauf: „Mein Weihnachts-Ohratorium“ und verkauften es für 19,99 Euro pro Stück. Und weil schon das Cover voller Weihnachts-Bimbam war, erwarteten sie mit diesem Ohratorium den größten Verkaufsschlager des Jahres.
„Etwas Sinniges fehlt noch“, befanden die Lektoren und statteten dem Schriftsteller noch einen kurzen Besuch ab. Wie staunten sie, als sie an diesem Tag statt des weihnachtlichen Ohrenausflusses ein Leuchten in den Augen des Schriftstellers sahen. „Was ist das?“, fragten sie ihn sogleich. „Hat das auch etwas mit Weihnachten zu tun?“
„Das ist meine Sehnsucht nach dem Himmel“, antwortete der Schriftsteller. „Meine Freude auf den Tag, an dem ich mit Jesus abseits vom Getümmel einen warmen Kakao trinke und mit ihm über seine Vision mit dieser Welt plaudere.“
„Oh, wie schön“, schwärmten die Lektoren, „können Sie das bitte auch noch durch Ihre Ohren nach draußen schicken? Das würde den Inhalt zwischen den Buchdeckeln des Weihnachts-Ohratoriums noch prima aufwerten.“
„Nein“, sagte der Schriftsteller. „Das kommt mir ja nicht zu den Ohren raus.“
„Nicht? Hm. Fließt Ihnen das vielleicht doch noch aus der Feder heraus?“
„Auch nicht. Das trag ich in meinem Herzen. Und da bleibt es.“
Und dann schickte der Schriftsteller die Lektoren nach draußen, schloss die Tür und setzte einen Topf Milch auf.
(Auch wenn dem unbekannten Autor sonst nichts Weihnachtliches eingefallen ist, hat es diese Geschichte dennoch in den Adventskalender „Sternenleuchten im Advent“ vom Bibellesebund geschafft. Erhältlich HIER.)