Ich bete – und du bekehrst dich, ob du willst oder nicht!

Meistens kamen die schwierigen Fragen meiner Kinder völlig unangekündigt mitten im Alltag. Einmal saßen wir beim Tischgebet vor dem Abendessen. Unter anderem betete ich für Leute in der Familie und im Freundeskreis, dass Gott ihnen helfen sollte, zum Glauben an ihn zu kommen.

Nach dem Gebet fragte meine Tochter, damals 11 Jahre alt: „Warum beten wir eigentlich, dass Gott machen soll, dass andere zum Glauben kommen? Gott zwingt doch sowieso niemanden.“

Boing. Papa Harrys Gehirn ratterte. Tja, wieso? Würde Gott einen Menschen, der eigentlich nichts mit ihm zu tun haben will, gegen dessen Willen dazu bringen, Gott zu vertrauen? Nur weil ich für ihn gebetet habe?

Hm. So schnell hatte ich keine Antwort parat. Darüber musste ich selbst erst mal brüten. Als erstes kamen mir natürlich all die Berichte aus christlichen Büchern und Gottesdiensten in den Sinn, in denen jemand so lange für einen anderen gebetet hatte, bis derjenige Christ geworden war. Mein Gefühl sagte mir aber, bestimmt könnten mindestens so viele Leute berichten, dass sie für andere gebetet hätten und die waren keine Christen geworden.

Was sagt eigentlich die Bibel dazu? Gibt es hier Geschichten, Bibelverse oder gar Aufforderungen, die nahe legen, dass wir für den Glauben anderer beten sollen?

Jesus hat einmal zu Petrus gesagt: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhört.“ (Lukas 22,32). In Johannes 17 gibt es ein langes Gebet, in dem Jesus darum bittet, dass Gott den Glauben der Jünger bewahren soll. Okay. Schon mal beruhigend, dass Jesus sich bei Gott für den Glauben seiner Nachfolger einsetzt. Schön für mich und meinen Glauben. Aber setzt sich Jesus auch für den Glauben Nicht-Glaubender ein? Oder noch mehr: Gibt es Bibelstellen, in denen Menschen Jesus oder Gott bitten, dass andere Christen werden? Mir fallen keine ein. Paulus lobt in seinen Briefen immer wieder den Glauben der anderen und schreibt, wie dankbar er Gott dafür ist. Auch Jesus lobt den Glauben anderer. Und fordert zum Glauben auf: „Wer glaubt (und getauft wird), der wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ (Markus 16,16 und so ähnlich an anderen Stellen). Hupsala. Jeder ist also selbst verantwortlich und es stehen jedem beide Optionen offen. Aber dann sagt Jesus so steile Sätze wie: „Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, der Vater zieht ihn.“ (Johannes 6,44, auch das wieder an vielen Stellen) Ist die Entscheidung also doch nicht so frei? Und wenn sie nicht frei ist, welchen Einfluss hat dann noch mein Gebet? Und wieder lese ich großspurige Gebetsverheißungen: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden.“ (Markus 11,24 und andere Stellen)

Also wie jetzt? Jeder ist selbst aufgefordert, sich für den Glauben an Jesus zu entscheiden. Gott zwingt niemanden. Also kann ich es mir auch sparen, für den Glauben anderer zu beten.

Obendrein kommen sowieso nur die zum Glauben, die Gott dazu bereit macht. Dann ist mein Gebet erst recht überflüssig. Oder?

Gleichzeitig fordert Jesus ausdrücklich zum Gebet auf. Und er will es erhören. Zumindest zieht er eine Erhörung ernsthaft in Erwägung, wie wir ja auch hin und wieder erleben. Dann kann mein Gebet also doch verändern: mich, die Welt, die Umstände, aber auch die Glaubenseinstellung meiner Freunde und Familienmitglieder. Oder?

Gestern habe ich meine Kinder noch mal auf diese Frage von damals angesprochen. „Was würdet ihr denn heute antworten?“, hab ich sie gefragt.

„Ich bete sowas nicht“, waren deren Antwort. „Aber ich bete, dass Gott mir zeigt, was ich dazu beitragen kann, um anderen Impulse zum Glauben zu geben. Und dass er mir Mut und die richtigen Worte schenkt, um den Leuten, die mir wichtig sind, von ihm zu erzählen.“

Ja, Donnerwetter. Warum bin ich da nicht selbst drauf gekommen? Und zu dieser Einstellung fällt mir auch gleich eine Bibelstelle ein: Als die ersten Christen damals in Jerusalem von ihrem Glauben erzählt haben, sind sie sofort vor den jüdischen Rat zitiert worden, man drohte ihnen Strafen und Prügel an und verbot ihnen nachdrücklich, weiter von ihrem Glauben an Jesus zu reden. Die Gemeinde setzte sich sofort zusammen und betete: „Herr, du siehst, wie sich alle politischen und religiösen Verantwortungsträger gegen uns und vor allem gegen Jesus zusammenrotten und uns unter Druck setzen. Darum bitten wir dich …“ Was kommt jetzt? „… beruhige den Hohen Rat! Bring die Hohenpriester zur Vernunft! Schenk, dass die Römer und alle feindlich gesinnten Juden hier in Jerusalem zum Glauben finden!“ Nein. Das beten sie gar nicht. Sie beten: „… gibt uns, die wir dir nachfolgen wollen, die Kraft, mutig und ohne Angst weiter von dir zu reden! Und zeig du gleichzeitig, dass du ein mächtiger Gott bist, der Menschen heilen und den man im Alltag erleben kann!“ (Apostelgeschichte 4,29-30)

Also nichts von: „Bring die anderen zum Glauben!“, sondern: „Mach mich mutig, offen zu meinem Glauben zu stehen und davon zu reden.“

Ansporn für mich, so zu beten und mich von Gott so verändern zu lassen, dass ich auf genau die Menschen zugehen kann, die mir am Herzen liegen, und ihnen zu erzählen, warum der Glaube an Jesus für mich eine Bedeutung hat.

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