Der getaufte Fisch

Letzten Sonntag hatten wir in unserer Familie eine Taufe. Unser Neffe Johannes sollte getauft werden. Mein Bruder und seine Frau sagten: „Da haben wir jetzt ein Kind und das müssen wir jetzt taufen lassen.“ Sag ich: „Wieso denn?“ Sagen die: „Das macht man so.“ Fand ich komisch. Die machen doch sonst nicht, was „man“ so macht. Sagen die: „Na ja, wenn unser Kind jetzt stirbt und ist nicht getauft, dann wissen wir ja gar nicht, was mit dem passiert.“ Sag ich: „Und wisst ihr denn nach der Taufe, was mit dem passiert?“ Sagen die: „Ja, dann ist es bei Gott.“ Sag ich: „Ach, und sonst nicht?“ Sagen die ganz empört: „Neeeein!“

Also, ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, wie das war, als ich selbst getauft worden bin, da war ich ja selbst auch noch ein Baby … da war mein Erinnerungsvermögen noch nicht so hoch … aber demnach bin ich also getauft und wenn ich jetzt irgendwann sterben sollte, dann bin ich also bei Gott. Na ja, wenn das so einfach ist …

Sag ich zu denen: „Wie taufen die denn die Kinder?“ Sagt meine Schwägerin: „Die halten das Baby über so ein Becken mit Wasser und dann schüttet der Pfarrer so ein bisschen Wasser über den Kopf und dann ist das Kind getauft.“ Sag ich: „Na, wenn das alles ist … Wasser hab ich hier auch genug. Dazu müssen wir nicht extra in die Kirche rennen und alle Mann neue Klamotten kaufen. Da können wir die Taufe auch bei uns im Bad vornehmen. Das spart auch eine Menge Geld für die ganze Feier.“ Sagt die Schwägerin: „Nein, es ist ja nicht nur das Wasser, es ist ja auch der Spruch vom Pfarrer!“ – „Welchen Spruch denn?“, wollte ich wissen. Sagt die: „Der sagt irgendwas wie ‚Im Namen des Vaters und des Sohnes’ und so und dann noch einen Bibelspruch.“ Sag ich: „Das kann ich auch sagen. Und einen Bibelspruch krieg ich auch noch hin. Hol ich die olle Bibel von der Oma vom Dachboden und les’ ein bisschen was draus vor.“ Nein, das war denen aber auch nicht Recht. „Das geht nicht mit jedem Wasser“, sagt mein Bruder. Dann schleppt der so ein Heftchen von Martin Luther an. Was der alles im Haus hat! „Martin Luthers kleiner Katalysator“ oder so ähnlich heißt das. Und darin steht: „Ohne den Geist Gottes ist das Wasser schlicht Wasser und keine Taufe. Aber mit Gottes Geist ist’s eine Taufe.“ Mann o Mann. Die von der Kirche wissen schon, wie sie die Leute rumkriegen, das Wasser aus der Kirche zu nehmen und nicht das von zu Hause. „Wie kriegen die denn den Geist Gottes da rein?“, wollte ich wissen. Das wussten die aber auch nicht.

Später sagt eine Nachbarin, das mit dem Kindertaufen ist sowieso Quatsch. Man muss sich später taufen lassen. Wenn man sozusagen selbst sagen kann: „Ja, das will ich.“ Hab ich sie gefragt: „Und wenn der Mensch aber vorher stirbt? Wo issn der dann?“ Da hat sie so rumgedruckst und hat mir einen kleinen Vortrag über Himmel und Hölle gehalten. Auf jeden Fall lief es darauf raus, dass eine Taufe erst dann gilt, wenn man das selber will. Und ein Baby will das ja in der Regel nicht. Das will ja eigentlich gar nix außer in Mamas Arm und immer Milch.

Is ja eigentlich auch besser, dachte ich. Kann man ja auch niemandem aufzwingen. Und wenn man es selber will, kann man es ja auch selber im Badezimmer vornehmen. „Nein“, meint meine Nachbarin, „das geht auch nicht.“ Das muss auch der Pastor machen. Oder zumindest muss es im extra Wasser in der Gemeinde stattfinden.

Na gut. Sind wir also letzte Woche alle zusammen in die Kirche gegangen. Alle neue Klamotten gekauft. Das Baby sogar ein weißes Kleidchen, das es bestimmt im ganzen Leben nicht mehr anzieht. Und tatsächlich, der Pfarrer hält das Baby über das Becken, tropft ein paar Tropfen über das Köpfchen, sagt einen Bibelspruch und murmelt die Formel, die sie mir vorher gesagt haben: ‚Im Namen des Vaters und des Sohnes’ und so. Aha, denk ich. Und jetzt ist das Kind getauft und hat den Garantieschein dafür, dass es mal bei Gott ist. Wenn es jetzt stirbt, kann also nix mehr passieren. Jetzt ist es sozusagen unfreiwillig schon mal auf die richtige Spur gesetzt. Komische Einrichtung von Gott, denke ich. Wenn der will, dass die nachher bei ihm sind, warum lässt er sie nicht gleich getauft auf die Welt kommen?

So, und dann in der Predigt sagt der Pfarrer, jeder muss sich selbst immer wieder seine Taufe vergegenwärtigen und seine Taufe erneuern. Ach?, denke ich. Wird die denn nach ein paar Jahren ungültig? Wie lange hält denn so eine Taufe vor? Oder wollen die von der Kirche einen nur immer wieder mal in ihre Gottesdienste locken?

Jedenfalls, nach dem Gottesdienst, so nach dem Bildermachen und so – da bin ich zum Küster gegangen und hab gefragt, was die denn jetzt so mit dem übrigen Wasser aus dem Taufbecken machen. „Das schütten wir weg“, sagt der. „WAS?“, sag ich. „Das gute, heilige Wasser wegschütten? Wie viele Kinder und Erwachsene könnte man damit noch taufen!“

Und da hatte ich dann die geniale Idee. Ich fragte ihn, ob ich denn das Wasser mitnehmen dürfte. Der guckte zwar ein bisschen komisch, aber er hat mir dann das Wasser in einen Gefrierbeutel geschüttet, der da so rumlag. Ich hab ihn gut zugeknotet und mit nach Hause genommen. Jetzt hab ich also echtes Taufwasser, in dem der Geist Gottes drin ist. Ist mit bloßem Auge gar nicht zu erkennen, dachte ich. Auf jeden Fall hab ich am Nachmittag zu meiner Familie gesagt, wenn wir noch mal Zuwachs bekommen, dann können wir das aber endgültig zu Hause machen. Ich hab jetzt das Original-Taufwasser samt Geist Gottes. Und den Spruch und die Formel hab ich mir auch gemerkt. „Das geht trotzdem nicht“, meinten die anderen. Die sind echt komisch.

Anfang der Woche dachte ich dann, es ist doch viel zu schade, wenn das gute, nützliche Wasser so nutzlos bei mir aufm Regal rumsteht. Bin ich damit in die Stadt gegangen und hab einfach mal ein paar Leute, die mir nett und hilfsbedürftig erschienen, mit ein paar Tropfen beträufelt. Die meisten haben dumm geguckt, manche sogar geschimpft, aber ich hab immer gesagt, die sollten mir mal lieber dankbar sein. Immerhin könnten sie jederzeit sterben und ich hab sie jetzt noch rechtzeitig mit einer Eintrittskarte in den Himmel versorgt. Und von wegen Tauferinnerung: Dazu muss ich jetzt nicht mehr extra in die Kirche gehen. Ich hab mir zu Hause ein leeres Parfumfläschchen damit gefüllt. Und jetzt bestäube ich mich jeden Morgen nach dem Zähneputzen einmal von oben bis unten damit. Jetzt kann mir nix mehr passieren.

Aber der dickste Hund war vor drei Tagen: Komm ich nach Hause vom Einkaufen, ist mein Beutel mit Taufwasser weg. Frag ich, wo mein heiliges Wasser ist. Sagt unsere große Nichte, sie hätte grad ihr Aquarium sauber gemacht und so lange ihren Fisch in meinen Beutel getan. „Du freche Göre“, sag ich zu ihr, „weißt du denn nicht, was das hier für Wasser ist?“ – „Doch“, sagt sie, „das ist das Wasser, das Leute in den Himmel bringt. Und ich dachte, falls mein Fisch stirbt, soll er doch in den Himmel kommen.“ Donnerwetter. Die hat Ideen. Ob das auch für Fische gilt? Ich mein – die haben mit den Babys immerhin gemeinsam, dass die sich nicht wehren können. Und trotzdem meint man es gut, wenn man sie tauft. „Also gut“, sag ich, „dann lass dein Fischli noch ein paar Tage hier schwimmen. Schaden kann’s ja nicht.“ Ich muss unbedingt meine Nachbarin fragen, was sie davon hält. Der Nachteil ist nur: Seitdem meint meine Frau immer, wenn ich mich morgens mit dem Taufwasser behandle, ich würde nach Fisch stinken. Vielleicht sollte ich mir doch noch mal neues Taufwasser zulegen.

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