Von Falschfahrern und Richtigfahrern.

Neulich zusammen mit meiner Frau auf der Autobahn. Zum ersten Mal in meinem Leben höre ich im Radio die Warnmeldung über einen Falschfahrer auf genau meiner Autobahn und meinem Streckenabschnitt. Schock: Jeden Augenblick könnte uns quasi ab jetzt ein Geisterfahrer entgegen kommen und schlimmstenfalls frontal mit uns zusammenstoßen.

Natürlich fahren wir rechts und überholen nicht. Die innere Alarmlampe ist auf höchste Aufmerksamkeit geschlatet. Aber krass, welche Gedanken in dieser kurzen Zeit in welcher Reihenfolge durch mein Hirn purzeln. Der rationalste Gedanke: „Uns passiert schon nichts“, kommt erst an vierter oder fünfter Stelle. Auf der Top 3 der ersten Gedanken sind aber auch nicht: „Oh Hilfe, ich will noch nicht sterben“, ebenso wenig: „Oh schön, gleich bin ich im Himmel!“

Erster Gedanke: „Was machen die Kinder? Könnten die sich allein versorgen?“ (Dass da sofort eine Apparatur an Versorgung, Verwandtschaft, Gemeinde, Nachbarn usw. in Gang kommen würde, kommt erst wieder beim Einschalten der Vernunft in den Kopf. Als erstes sehe ich bloß Hänsel und Gretel ohne Mama und Papa allein im Wald stehen. Und der erste, der die Finger nach ihnen ausstreckt, ist die Hexe. Krass, oder?)

Zweiter Gedanke: „Haben wir die Kinder fit genug gemacht, dass sie ab jetzt allein auf eigenen Füßen stehen könnten? Was haben wir versäumt? Hätten wir vor der Abfahrt noch irgendwas sagen, was klären müssen? Steht noch eine ungeklärte Baustelle im Raum? Haben wir uns ausreichend unserer Liebe versichert?“

Dritter Gedanke: „Mist, wer schreibt jetzt das Buch zu Ende, an dem ich gerade arbeite?“

Danach erst kommen all die „Na ja, man sieht ja sowieso keinen Falschfahrer“ und „Wenn alle rechts fahren, passiert schon nichts“ und „Mal eben das Radio lauter drehen, damit man hört, wenn die Gefahr vorüber ist“ und so weiter.

Und dann inneres Schmunzeln über meine Gedanken.

Bald darauf haben wir den Bereich der Autobahn, der vorhin im Radio genannt wurde, verlassen und kurze Zeit später kommt die Entwarnung. Und wir haben keinen Falschfahrer gesehen. Gut so.

Trotzdem war mir, als hätte ich für ein paar Sekunden den Lebens-Rechnungsblock rausgeholt, einen Strich drunter gezogen und addiert: Kinder, Kinder, Buch.

Sehr interessant.

Der Falschfahrer hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, ob ich ein Richtigfahrer bin. „Ich muss bewusster leben“, hab ich mir gesagt. Und: „Jeden Tag, wenn man das Haus verlässt, sollte man seiner Familie sagen, dass man sie liebt. Keinen Streit ungeklärt lassen. Jeder Tag könnte dein Letzter sein. Man weiß ja nie.“

Eine halbe Stunde später hab ich mich gedanklich schon wieder ganz auf mein Ziel hinter der Autobahn eingestellt. Und alles bleibt, wie es war. Immerhin hab ich es bis zu diesem Blog-Eintrag geschafft. Und danach? Bewusster leben? Bestimmt. Mindestens eine halbe Stunde lang. Ich glaub, ich koch mir jetzt erst mal noch einen Kaffee …

way out

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