Das Weihnachtsei

img_20161222_170156

(von Harry Voß)

Zum Ei, da sprach die Mandarine:

„Geh, mach nicht so ne Trauermiene.

Bald kommt die stille Heilge Nacht,

da wird – anstatt geweint – gelacht.“

 

Da sprach das Ei: „Ihr Weihnachtssachen,

ihr habt um diese Zeit gut lachen.

Ihr Nüsse, Lebkuchen und Zimt,

ihr seid für Weihnachten bestimmt.

Man hängt euch auf, man stellt euch aus,

man schmückt mit euch das ganze Haus.

Doch ich, das Ei, komm an kein Zweig,

nur höchstens in den Plätzchenteig.

Wie gern wär ich jetzt Mandarine.

Drum hab ich eine Trauermiene.“

 

Die Mandarine sprach zum Ei:

„Wie schnell ist Weihnachten vorbei.

Dann will von all den Leckerbissen

ein Jahr lang niemand mehr was wissen.

Doch dich braucht man das ganze Jahr.

Man schätzt zum Frühstück dich sogar.

Und bald, da ist es dann so weit,

da kommt für dich die große Zeit.

An Ostern, jeder weiß es schon,

da bist du Ei die Hauptperson.

Du, Ei, du stehst für neues Leben,

drum wollen sie dich weitergeben.

Zum Gleichnis wirst du alle Male:

ein Leben aus der toten Schale.

Da haben Zimt und Lebekuchen

beim besten Willen nichts zu suchen.

Drum gönn uns doch die schöne Zeit,

in der man sich an uns erfreut.“

 

Da lächelte das Ei beschwingt

(sofern das einem Ei gelingt)

und sprach: „Du liebe Mandarine,

verzeih mir meine Trauermiene.

Doch möcht’ ich zu Bedenken geben:

Auch Weihnachten spricht man vom Leben.

Inmitten einer Welt voll Streit

und kalter Hoffnungslosigkeit,

da wird – jenseits von Scheunentoren –

die Liebe Gottes selbst geboren.

Das Himmelskind ins Erdentale –

das nenn ich Leben aus der Schale!

Drum wünsch ich, dass man dies bedenkt

und Weihnachten auch Eier schenkt!“

 

Die Mandarine sprach zum Ei:

„Das klingt zunächst nach Narretei.

Kann sein, dass manche doch so denken

und Eier anstatt Kugeln schenken.

Vielleicht gibt es nebst Lebekuchen

auch Weihnachtseier bald zu suchen.“

Eine Antwort auf „Das Weihnachtsei“

  1. Das hast Du wunderschön gedichtet.
    Doch, was hast Du jetzt angerichtet?!?
    Denn all die Weihnachtsbrauch-Apösteln,
    die wird es innerlich jetzt frösteln.
    Du hast mit dem, was Dich hier dichterisch bewegt
    denen ein riesengroßes Ei ins Nest gelegt…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert