Bald ist wieder Halloween und schon stehen sich wieder die Christengeschmäcker gegenüber. Die einen, die sagen: „Lasst doch die Kinder mit dem Stoffbeutel durch die Straßen ziehen und ein paar Süßigkeiten einsammeln. Ist doch nix dabei. Und Maske? Jo, tragen sie im Moment sowieso. Da fällt die Monstermaske gar nicht mehr auf.“ Die anderen halten dagegen: „Halloween geht gar nicht! Da haben ganz früher mal die heidnischen Kelten Opfer für die Geister gebracht und damit wollen wir nichts zu tun haben.“ Und dann haben beide Parteien auch noch Bibelstellen im Köcher, mit denen sie die jeweils anderen beschießen können. Und schließlich landet die Frage bei mir und anderen hauptamtlichen Christen, „die es ja wissen müssen“: „Was darf ich als Christ?“
„Alles ist dir erlaubt“, hat Paulus mal ausdrücklich den Korinthern zugestanden, „aber nicht alles dient wirklich zum Guten.“ (1. Korinther 10,23)
Toll. Damit sind wir genauso schlau wie vorher. „Alles ist erlaubt“: Juhuu! Alle Kinder mit der Teufelsmaske raus auf die Gasse und Blut-Bonbons lutschen! „Nicht alles dient zum Guten.“ Also, Kinder: Wieder reinkommen. Denn die Bonbons dienen nicht zum Guten. Und Teufelsmasken schon mal gar nicht.
Danke, Paulus, für die „Mach-doch-was-du-willst“-Aussage. „Das muss jeder selbst wissen“, höre ich immer wieder. Damit sind wir Christen fein raus und wir müssen andere nicht beschulmeistern. Ja, manches müssen wir vielleicht tatsächlich selbst wissen. Und selbst entscheiden. Aber gibt es da nicht auch Grenzen? Keiner würde einem Mörder sagen: „Ja, du, das musst du selbst wissen. Wenn du das mit deinem Glauben und deinem Gewissen vereinbaren kannst …“
„Solange es keinem anderen schadet“, ist die nächste Einschränkung, mit der man versucht, sich um eine eigene Positionierung zu drücken. Okay. Stehlen, töten, verprügeln, mobben – so sachen stehen dann auf der Schwarzen Liste. Kann ich nachvollziehen. Das sehen auch Nichtchristen ein. Allerdings – streng genommen müsste dann auch der Einkauf bei Kik, H&M und Kollegen auch auf der Schwarzen Liste stehen. Denn die Produktion derer Klamotten schadet definitiv anderen Personen: nämlich denen, die sie unter unmenschlichen Bedingungen hestellen. Ach, das ist schon wieder zu extrem? Entschuldigung. Bleiben wir doch beim Positiven: Egal, welche Filme ich mir also reinziehe – ich schade keinem anderen. Egal, was ich lese, was ich esse und trinke, was ich rauche – es schadet keinem anderen. Dann kann ich auch an Halloween Gläserrücken spielen, Bonbons einsammeln, mich abends besaufen. Schadet keinem anderen (außer vielleicht denen, denen ich ins Auto kotze).
„Es darf auch dir persönlich nicht schaden“, kann man noch hinterherschieben. Na, so langsam kommt dann ja doch die Spaßbremse raus. Dann ist also doch nix mit rauchen, kiffen, Drogen. Genau genommen auch nix mit Alkohol. Und noch genauer genommen auch mit Fastfood, Süßigkeiten und einer Menge an Filmen, Serien ode PC-Spielen, die mich innerlich vergiften. Schon wieder zu extrem? Sorry. Ich wollte nicht persönlich werden.
Also, was bleibt denn dann noch? Was darf ich denn dann überhaupt (außer beten und Bibel lesen)? Darf ich denn gar nichts mehr, das Spaß macht? „Alles ist erlaubt, aber nicht alles ist gut für dich“ – das wirkt in diesem Zusammenhang zu schwammig und zu beliebig. Das kann jeder unterschiedlich auslegen, und dabei ist meistens die eigene Prägung die Richtschnur. Mehr noch als das Bibelverständnis. Meine Oma zum Beispiel hätte da eine ganz andere Definition gehabt von dem, was nicht gut für mich gewesen wäre, als ich. Für sie waren Jungs mit Ohrring, Hosen mit Löchern, Lederjacken, tanzen oder abends in die Kneipe gehen schon „nicht gut für dich“. Selbst ein unaufgeräumtes Kinderzimmer konnte sie geistlich deuten: „Da wäre der Heiland aber ganz traurig.“
Okay. Diese Extreme haben wir überwunden? Mag sein. Die Frage, die dahinter steht, aber nicht: Wo ist die gesetzliche Grenze für mich als Christ? Ab wann ist Gott (oder Jesus) sauer auf mich oder zerreißt mir gar meine vorreservierte Eintrittskarte für den Himmel?
„Darf ich als Christ auf Partys Alkohol trinken?“, sollte ich neulich während eines Jugendgottesdienstes beantworten. Tja, was soll ich da antworten? Ein Bier ja, ein Kasten nein? „Darf ich als Christ ‚Harry Potter‘ lesen?“, haben mich vor 15 Jahren Kinder per Brief gefragt. Und die jugenlichen Christen fragen: „Darf ich rauchen?“, „Darf ich Gewaltfilme im Kino anschauen?“ Später: „Darf ich vor der Ehe mit meiner Freundin … äh … fangen wir mal klein an … reden? Händchen halten? Küsschen? Richtiger Kuss? Schlafen? Zusammenziehen? Kinder haben?“ Und eben jetzt wieder ganz konkret: „Wie sollen wir als Familie mit Halloween umgehen?“
Puh. Wo ist die Paragraphenliste aus der Bibel, in der ich das genau nachlesen kann: § 1: Fernsehen ja, Dieter Bohlen nein. § 2: Schwimmen gehen ja, Nacktschwimmen vielleicht, Sex im Schwimmbad nein. § 3: Halloween never!
Ja, wir Christen holen manchmal viel zu schnell die „Darfst-du-nicht“-Keule raus, ohne zu reflektieren, warum eigentlich. Und was für den einen Christ ein No-Go ist, ist für den anderen überhaupt kein Problem. Das kriegen wir auch nicht aufgelöst. Und das finde ich, ehrlich gesagt, das Befreiende am meiner Beziehung zu Christus, dass da nicht alle über einen Kamm geschoren werden, sondern dass die Grenzen und die persönlichen Empfindungen unterschiedlich sind – und sogar unterschiedlich sein dürfen. Für mich zum Beispiel ist ein Bier auf einer Party kein Poblem. Dreckige Witze über Außenstehende, Beleidigungen gegen den Glauben, andere Menschen bewusst ausschließen, demütigen und klein halten – das geht für mich gar nicht. Andere Christen würden da andere Punkte aufzählen.
Mit dem hier eingebetteten Film haben wir während des oben genannten Jugendgottesdienstes die Frage aufgeworfen: Ist das, was du tust oder nicht tust, nicht auch eine Frage nach deiner Beziehung zu Gott bzw. zu Jesus? Kann man die Frage nach dem „Was darf ich denn?“ wirklich nur mit Gesetzen beantworten? Oder trage ich nicht als Christ in der Beziehung zu Jesus eine natürliche Intutition in mir und merke selbst, wenn ich Dinge tue, die ich eigentlich nicht mit meinem Glauben in Einklang bringe?
So, und was heißt das jetzt für Halloween? Darf ich das? Darf mein Kind das?
Ich habe vor einigen Jahren hier im Blog mal ganz ausführlich mein Statement dazu dargelegt, warum ich Halloween nicht unterstützen möchte. Wer das noch nicht kennt, kann es HIER nachlesen.
Wer Kindern am 31. Oktober an der Haustür etwas in die Hand drücken möchte, das kein moralisches „Das-darfst-du-nicht-Kind“ vemittelt und trotzdem das Für und Wider dieser finsteren Nacht behandelt, der findet HIER ein paar Produkte, die es beim Bibellesebund zu bestellen gibt.
Und schließlich möchte ich noch auf die Familienkirche von Mike Müllerbauer hinweisen. Der behandelt in seiner nächsten Ausgabe von „Kirche zu Hause – als Familie Gott erleben“ (am kommenden Freitag, den 23. Oktober) genau dieses Thema: Womit du dich fütterst, das prägt dich. Was du in dich reinsteckst, das kommt auch raus. Und das ist etwas, das alle Lebensbereiche angeht. Nicht nur Halloween. Wenn du mitschauen willst, hier geht’s zum Kanal von Mike Müllerbauer:
Darf man jetzt Harry Potter lesen?
Im Grunde genommen könnte ich zu diesem Thema den ganzen Artikel noch mal neu aufrollen: Die einen sagen: „Das darfst du auf keinen Fall, da geht es um Zauberei, um Fabelwesen, um eine Gut-und-Böse-Welt, die ihre Erlösung nicht in Jesus findet, sondern im Kampf von Harry Potter mit dem Bösen. Also weg damit.“ Die anderen sagen: „Das ist eine Fantasie-Gesschichte wie auch sämtliche andere Märchen, das ist Fiktion, das lese ich nicht zur geistlichen Erbauung, sondern zu reinen Unterhaltung. Da ist nix dabei.“
Ich kenne Christen, die „Harry Potter“ ohne Probleme lesen und die auch keinen geistlichen Schaden davon tragen. Ich kenne auch Christen, die das ganz bewusst nicht lesen und die auch Ängste und Albträume davon bekämen.
Soll ich, Harry, nun die Instanz sein, die dazu einen Paragraphen beschreibt? Nein. Bin ich nicht. Mach ich nicht. Ich würde hier ganz klar sagen: „Hör auf dein Herz.“ Wenn du schon merkst, dass dir das merkwürdig, unheimlich, bedrohlich, Angst einflößend vorkommt – dann lies es nicht. Wenn du auch sonst Fantasy liest und mit diesen fremden und märchenhaften Welten kein Problem hast – dann wird dir auch „Harry Potter“ keinen Schock versetzen.
Es gab einen ähnlichen Fall im ersten Jahrhundert bei den Korinthern. Da ging es nicht um „Harry Potter“, sondern um die Frage, ob man als Christ Fleisch essen darf, das zuvor heidnischen Göttern geopfert wurde. „Wenn du das isst, dann wirst du wieder in den Bann dieser (dämonischen) Götter gezogen und bejahst damit quasi deren System“, sagten die einen, „also iss es als Christ nicht.“ – „Fleisch ist zum Essen da“, meinten die anderen, „und da ich an diese Götter als Christ sowieso nicht mehr glaube, ist es mir egal, wem das Fleisch geweiht wurde. Darum kann ich das als Christ bedenkenlos essen.“ Und nun wollte man von Paulus ein Gesetz haben: „Dürfen wir das essen oder nciht?“ Paulus nimmt dazu in seinem ersten Brief an die Korinther Stellung (1. Korinther 8), sagt aber nicht eindeutig Ja oder Nein, sondern: „Hör auf dein Gewissen!“ Wer eine innere Sperre dagegen spürt und es für sich als Sünde einordnet, der sollte es nicht essen. Wer es aber schlicht als Fleisch isst, der soll es sich ohne Bedenken schmecken lassen. Gleichzeitig fügt er hinzu: „Trotzdem sollt ihr aufeinander Rücksicht nehmen! Wenn einer meint, er kann Götzenopferfleisch ohne Probleme essen, sitzt aber mit jemandem zusammen, von dem er weiß, dass er damit Probleme hat, dann soll er dem anderen zuliebe darauf verzichten, um den anderen nicht in Gewissensnot zu bringen.“
Das finde ich eine gute und weise Entscheidung. Ja, jeder hat seine eigene Beziehung zu Jesus und klärt Detailfragen individuell ab. Trotzdem sind wir als Gemeinde in eine Gemeinschaft gestellt. Und da hat keiner das Recht, über den anderen zu urteilen: „Du sündigst, weil du das tust!“, oder: „Du bist ein Schlappi, weil du das nicht tust!“
In seinem Brief an die Römer behandelt Paulus dieselbe Frage auch noch mal (Kapitel 14) und kommt zu dem Schluss: „Warum also verurteilst du deinen Mitchrist? Oder warum schaust du überheblich auf ihn herab? Jeder von uns muss sich ganz persönlich vor Gott verantworten. Darum lasst uns nicht einer den anderen richten. Sondern richtet eure Einstellung lieber darauf, dass wir uns nicht gegenseitig in Versuchung bringen.“ (Römer 14,10-13)
Damit habe ich dich vielleicht etwas im Regen stehen gelassen, weil ich nicht eindeutig Hop oder Top gesagt habe. Es soll dich aber eigentlich mehr in deine eigene Verantwortung führen, dass du deinen Weg und deine Einstellung mit deiner persönlichen Beziehung zu Jesus abgleichst. Und was du in diesem Fall für dich als richtig erkannt hast, das tu. Und sag dabei denen, die zu anderen Schlussfolgerungen gekommen sind, nicht, dass sie falsch liegen.
Ich möchte noch mal ganz klar sagen, dass es sich dabei um Detailfragen handelt, die nicht ausdrücklich durch die Bibel betont werden. Dass wir unsere Mitmenschen lieben sollen, den Feinden vergeben, die Eltern ehren usw., das muss nicht mit dem Gewissen vereinbart werden, das steht eindeutig in der Bibel. Hier geht es um die Zwischentöne. Und die lassen sich eben nicht so einfach beantworten, wie wir das manchmal hätten.
Alles klar so weit? Dann wünsche ich viel Freude beim Herausfinden der eigenen Antwort und grüße ganz herzlich
Harry