Gott-Mama-Heile-Heile-Gänschen-Jahreslosung 2016?

Die Jahreslosung 2016 birgt viel Potential für allgemeingültiges Pastoren-Bla-Bla. Du bist am Boden zerstört? Nicht schlimm – Gott tröstet. Amen.

Ich kann mich erinnern, dass dieser Vers 2008 schon einmal Monatsspruch war. Ich weiß das deswegen noch, weil meine Frau damals dazu einen 5-zeiligen Input für ein Monats-Infoblatt unserer Kirchengemeinde  schreiben sollte. „Ach, so ein schöner und anschaulicher Bibelvers“, dachte sie fröhlich und wollte schon ein paar süße Gott-Trostpflaster-alles-wird-gut-Worte in den Computer hämmern. Aber plötzlich stockte sie und unterbrach sich in ihrem Schreibfluss: Ist es denn überhaupt so, dass Gott wie eine Mutter tröstet?

Als wir beide uns darüber unterhielten, fielen uns spontan einige Menschen aus unserem Freundeskreis ein, denen es wirklich schlecht ging und die nicht das Gefühl hatten, von Gott mütterlich getröstet zu werden. Die netten Vergleiche: „Gott nimmt dich in den Arm“ oder „Gott macht dir Mut“ klangen so platt und abgegriffen angesichts von Leid und Hoffnungslosigkeit in unserer direkten Umgebung. Die großspurigen Andachtsworte wurden kleinlauter.

 

Beim Mittagessen fragte ich unsere Kinder daraufhin ganz unbefangen: „Sagt mal, wie tröstet denn eine Mutter?“

Unsere Kinder waren 2008 natürlich auch entsprechend jünger: 9 und 7. Sofort purzelten die Antworten: „Sie fragt, was denn los ist.“ – „Sie nimmt in den Arm.“ – „Sie streichelt über den Kopf.“

„Okay“, sagte ich und las ihnen den Bibelvers aus Jesaja 66,13 vor: „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Dann fragte ich die Kinder nach ihrer Meinung: „Wie tröstetGott denn? Er kann ja nicht in den Arm nehmen und über den Kopf streicheln.“

Unsere Tochter überlegte eine Weile und sagte dann: „Aber er kann es uns ins Herz sagen. Er kann uns ins Herz sagen, dass er da ist.“

„Und wie sagt Gott das ins Herz?“, bohrte ich weiter.

„Wenn man es plötzlich einfach weiß.“

Ich war beeindruckt von dieser kindlich-einfachen Weisheit. Trotzdem hatte ich immer noch die Freunde vor Augen, die genau das eben nicht wussten – oder die es in ihrer Situation einfach nicht wahrnehmen oder glauben konnten. Doch dann fügten die Kinder von ganz allein noch hinzu: „Gott kann ja auch einen schicken und der kann einen in den Arm nehmen und trösten.“

familie aus holz

Hm. Das stimmt natürlich. Wir Menschen als Gottes tröstende Arme. Wir können uns gegenseitig zuhören, Mut machen oder einfach nur da sein und damit Gottes Lächeln, Kopfstreicheln und Wunden-Pusten weitergeben. In Mamas Auftrag sozusagen. So ähnlich hat es meine Frau damals dann in das Infoblatt geschrieben. Diese Antwort löst natürlich immer noch nicht alle Probleme. Aber aus dem Mund unserer Kinder wirkte diese Aussage auf mich zumindest wesentlich vertrauensvoller und immerhin nicht so aufgeblasen wie manche schnell aufgesagte Vertröstung.

Immer, wenn ich in diesen Tagen die Jahreslosung höre, muss ich an das kurze Tischgespräch von damals denken. Und ich dachte, ich werf das im Wust der Jahreslosung-Auslegungen einfach mal mit in die Arena. Ich wünsch euch allen für 2016 zu jeder Zeit Gottes stellvertretende Tröster, wenn es euch nicht gut geht. Und ich wünsch euch, dass ihr eure Augen, Arme, Hände und Mama-Lächeln im Auftrag des großen Papas (der auch eine große Mama ist) für diejenigne bereit haltet, die es brauchen.

3 Antworten auf „Gott-Mama-Heile-Heile-Gänschen-Jahreslosung 2016?“

  1. Danke für diesen gesunden Realismus! Das erleben wir grade nach einem schweren Abschied: Menschen, die uns tragen, ganz ohne platte Floskeln. Und erstaunlich: Da zeigt sich, welche „Freunde“ einem tatsächlich, auch in der sehr schweren Zeit davor, zur Seite standen und jetzt stehen. Die nicht mit hohlen Sprüchen daher kommen, sondern einfach zuhören, in den Arm nehmen, Schmerzen aushalten. Das macht in all diesen Schmerzen auch ein kleines bisschen dankbar. Und diese tiefe innere Zuversicht, dass man in allem und auch in allem Unverständnis der Situation geborgen ist, das gehört irgendwie auch dazu.
    Daneben liegt mir die Jahreslosung aber auch ein bisschen schwer im Magen, wenn ich an die Kinder denke, deren Mutter sie nicht tröstet, in den Arm nimmt und für sie da ist. Vielleicht sogar ganz im Gegenteil…In deren Augen ist sowas natürlich eine schallende Ohrfeige. Aber das ist natürlich wieder ein anderer Punkt…
    Auf jeden Fall: Danke für den gesunden Realismus

  2. Und ein Gedanke, der mir bei diesem Bild des Tröstens noch kam: Trösten bedeutet nicht, dass dann sofort alles wieder gut ist. Trösten bedeutet, dass ich auch weinen und klagen darf, dass es weh tut und Narben bleiben. Aber dass ich mich in diesem Weinen und Klagen bei Gott und seinem Team bergen darf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert