Endlich mal begeistert fasten!

Jahrelang hab ich „sieben Wochen ohne“ durchgezogen und dabei wahlweise auf Süßigkeiten, Alkohol, Fernsehen oder ähnliches verzichtet. Manchmal hab ich dabei allerdings den Sinn in dem, was ich da tue, ein bisschen hinterfragt. Wem will ich hier was beweisen? Warum soll ich sieben Wochen auf Süßigkeiten verzichten, wenn ich am Ostersonntag wieder all das Zuckerzeug fresse, das mir der Osterhase ins Nest gelegt hat?

Viele nutzen das Fasten zwischen dem närrischen Treiben an Karneval und dem Osterfest ja zum Abnehmen. Der Winterspeck muss weg. Darum ist der Begriff „Fasten“ landläufig ja fast zum Synonym für „Diät machen“ geworden. Schade eigentlich.

Traditionell sollte das Fasten ja mal eine geistliche Einstimmung sein, in der man sich durch Verzicht (früher von Fleisch und Fressgelage) mehr aufs Gebet konzentrieren konnte. Dadurch sollte der Blick für geistliche Anliegen geschärft werden, in diesem Fall auf die Passion Christi und was er für uns getan hat. Aber Hand aufs Herz: Wer betet in der Fastenzeit mehr? Okay – es gibt in manchen Kirchengemeinden die „Passions-Andachten“, in denen man sich verstärkt mit der Leidensgeschichte von Jesus beschäftigt. Aber entspricht das dem, was die ersten Christen unter Fasten verstanden?

Wenn ich in die Bibel schaue, dann gibt es im Judentum natürlich klare Fastenzeiten. Und auch Jesus hat gefastet (zum Beispiel 40 Tage in der Wüste), und das sicher nicht nur zum Abnehmen. Die Jünger von Jesus haben in der Zeit, in der sie gemeinsam unterwegs waren nicht gefastet (zum Erstaunen der Jünger von Johannes dem Täufer). Trotzdem hat Jesus in seinen Reden das Fasten nicht für überholt erklärt. Einzig die Art, wie man fastet, hat er ein bisschen zurecht gerückt: keine Leidensmiene, keine Heuchelei, kein „Ach-schaut-mal-wie-schlecht-es-mir-geht-weil-ich-gerade-faste-ich-bin-ein-Leidensheld“-Getue. Einmal sagt Jesus sogar über eine bestimmte Art von Dämonenaustreibung, sie ließe sich nur durch „fasten und beten“ austreiben. Sehr geheimnisvoll. Fasten als eine Art Gebets-Aufwerter? Hm. Paulus und Barnabas jedenfalls haben die Berufung zu ihrer ersten Missionsreise erhalten, nachdem sie mit der Gemeinde bewusst eine Weile gefastet haben. Fasten ist also auch im Neuen Testament noch durchaus üblich.

Ich höre von Leuten, die einfach mal ein paar Tage oder Wochen gar nichts essen. Nur Wasser trinken. Sie wollen in einer bestimmten Lebenssituation eine bestimmte Antwort erhalten. Sie sagen, das Fasten wäre so eine Art innere Reinigung. Der Kopf würde klarer, die innere Bereitschaft Gott zu hören größer. Vor ein paar Jahren habe ich das auch mal ausprobiert. Aber außer „Ich hab Hunger! Warum mach ich Blödmann das?“ habe ich keine innere Stimme gehört.
Bin ich einfach zu doof zum Fasten? Zu ungeistlich? Klar, man kann Gott nicht „erzwingen“. Ich kann mir Gott durch Fasten oder andere religiöse Praktiken nicht verfügbar machen. Aber wie kann ich die Zeit, die vom Kirchenjahr ja nun wunderbar dafür vorgegeben ist, nutzen, um tatsächlich sinnvoll zu fasten und dabei auch hörbereit zu sein für neue Inputs von Gott direkt in mein Herz ?

In diesem Jahr mach ich das so:
Ich hab eine Gruppe gegründet von etwa 25 Personen, die sich auf folgene Challenge eingelassen haben:
1. Fasten heißt bewusste Ernährung
Wir wollen bis Ostern die Basics der gesunden Ernährung einhalten: keine Süßigkeiten, keine künstlich gesüßten Getränke wie Limo oder Cola, kein Alkohol, mehr Wasser, weniger Wurst usw. Das ist dann nicht nur „Boah, ich verzichte auf Nutellabrote“, sondern gleich eine Blickveränderung auf die Lebensmittel, die ich so bedenkenlos in mich reinschaufle.
2. Fasten heißt bewusster Umgang mit dem Körper
Wir wollen bis Ostern gut mit dem Körper umgehen (der ja biblisch gesehen der „Tempel des Heiligen Geistes“ ist). Mehr laufen als fahren, mehr stehen als sitzen, mehr Treppen als Fahrstuhl, morgens ein paar einfache Kniebeugen oder andere Fitness-Übungen, die keinen Bodybuilder aus uns machen, aber trotzdem helfen, fit und beweglich zu bleiben.
3. Fasten heißt bewusstes Bibellesen
Wir wollen bis Ostern jeden Tag ein Kapitel in der Bibel lesen. Passionstexte, Psalmen, Brieftexte usw. nach einem eigenen Textplan, den alle in der Runde erhalten haben. Und wir wollen darüber in Austausch kommen. Online.
Unterstützt werden wir dabei von Fitness-Coach Benedikt Ziesemann.

Ich bin so gespannt, was das in den nächsten 46 Tagen mit mir, mit uns macht. Zum ersten Mal seit langem freue ich mich auf die Fastenzeit. Weil es nicht nur Verzicht ist, sondern bewusster Umgang mit Leib, Seele, Geist. Und weil es in Gemeinschaft passiert. Mal sehen, ob ich in 10 oder 20 Tagen immer noch so begeistert bin. Bis jetzt bin ich’s. Ich were mich melden. 🙂

So, und jetzt seid ihr dran: Schreibt in die Kommentare, welche Erfahrungen ihr bisher mit Fasten gemacht habt. Neue Erkenntnisse gewonnen? Krank geworden? Unterwegs aufgegeben? Ermutigungen für mich und die anderen Fastenträger?