12. Dezember: Das warme Herz von Frau Bofrost

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Kleines, rührendes Erlebnis am 1. Dezember: Immer, wenn wir unsere Wohnung adventlich schmücken, fallen uns tausend Schmuckteile der Vergangenheit in die Hände, die uns irgendwann mal gedient haben, jetzt aber keinen Nutzen mehr haben. So war es auch mit dem Stoff-Adventskalender (siehe Foto), der irgendwann mal wirklich als solcher an der Wohnungstür hing und mit Süßigkeiten befüllt war. Familie Voß nutzt aber keinen Adventskalender doppelt (und wegschmeißen tut sie auch keinen, schlimm, gelle). Also kommen Jahr für Jahr mehr alte Schätze zum Vorschein.

In diesem Jahr hab ich mir vorgenommen, dem alten Zeug noch mal neue Bedeutung zu geben. Ich habe diesen wunderhübschen roten Adventskalender an meine Arbeitszimmertür unmittelbar hinter der Haustür aufgehängt. In jede Tasche habe ich einen Goldtaler, einen Tannenzweig und eine weihnachtliche Postkarte mit Gruß- und Segenswünschen der Familie Voß hineingesteckt. Spielregel: Immer der erste, der im Dezember pro Tag kommt, bekommt den Inhalt der jeweiligen Tasche, egal ob es ein Freund, ein Nachbar, der Postbote oder ein Fremder ist.

Am 1. Dezember klingelt es am Vormittag an der Haustür. Adventlich eingestellt öffne ich. Eine fremde Dame mittleren Alters (älter als ich) hält mir den Katalog eines bekannten Tiefkühlkost-Händlers unter die Nase: Ich soll mal unverbindlich reinschauen und demnächst ruft eine Kollegin an und fragt, ob ich was haben will und dann kommt das Tiefkühl-Auto und bringt mir die Ware frisch und köstlich. Ich lehne dankend ab. Die Dame versucht mich von der besonderen Qualität zu überzeugen: Deren Erbsen sind bestimmt viel fester und vitaminreicher als die vom Discounter. Ja, kann sein, gebe ich zu, aber wir nutzen deren Vorteile trotzdem nicht.

„Aber“, so führe ich das Gespräch fort, „da Sie heute die erste sind, die klingelt, dürfen Sie mal kurz in die erste Tasche des Adventskalenders hinter der Tür greifen.“ Die Dame ist zuerst etwas irritiert, dann schüchtern (ich erinnere mich, dass ich, als ich mal für eine andere Aktion von Haus zu Haus gehen musste, eingeschärft bekommen hatte, niemals den Fuß in das Haus oder die Wohnung der Kunden zu setzen), dann überwindet sie sich und steht vor dem roten Adventskalender. Ich gebe ihr den Gruß, den Goldtaler, den Zweig und wünsche ihr eine frohe und besinnliche Adventszeit. Ein plötzliches Strahlen umleuchtet die Dame. Sie bedankt sich hundertmal und schiebt noch hinterher: „Man wird ja an der Haustür nicht immer nett behandelt, dabei meint man es ja gar nicht böse, wenn man klingelt.“ Sie bedankt sich noch mal: „Aber so was hab ich ja auch noch nie erlebt …“ Sie schaut mich dankbar an. Einen kurzen Augenblick zucken ihre Arme, als wollte sie mich spontan in den Arm nehmen und an ihr Herz drücken. Aber dann besinnt sie sich, dass wir uns ja doch eigentlich völlig fremd sind. Noch mal dankend geht sie weiter. Heute hat also auch für sie die Adventszeit begonnen.

Während ich die Haustür schließe, denke ich: So eine Kleinigkeit für mich. Der Goldtaler hat fast nichts gekostet, der Zweig sowieso nichts, die Karten sind von hier und da und dort gesammelt. Materialwert: Fast null. Aber die Wirkung ist phänomenal. Wie schnell Leute dankbar sind, wenn man sie mit ein bisschen Freundklichkeit überrascht. Und jetzt du: Wo überraschst du heute jemanden mit einer spontanen Kleinigkeit? Es ist immer noch Advent. Und viele bekommen viel zu wenig Liebe und Mitmenschlichkeit geschenkt. Du hast genug davon. Also los!

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